Auslandstierschutz

Tiere haben keine Nationalität

Retriever in Not und Liberty for Dogs hilft mit seinen Zuchthundeprojekten immer wieder auch ausländischen Zuchthunden, die aus so genannten Vermehrerfarmen ausgemustert wurden. Viele dieser Hunde haben unter zum Teil grausamen Bedingungen Welpen produziert, die in Deutschland oder in den nahen Grenzregionen verkauft werden. In den meisten Fällen handelt es sich um ältere Muttertiere, die nicht mehr „produktiv“ genug sind, oder um kranke Hunde, die aussortiert werden. Die Hunde werden von ausländischen Tierheimen aufgenommen, die sich auf die Rettung solcher ehemaligen Zuchthunde spezialisiert haben, denn eine andere Überlebenschance haben diese Hunde nicht. Allerdings gibt es in den meisten Ländern auch kaum Aussichten, diese Hunde in eine Familie zu vermitteln. Aus diesem Grund unterstützt Retriever in Not und sein Projekt Liberty for Dogs die Arbeit dieser Tierschützer vor Ort mit Spenden und Aktionen und übernimmt auch deren Notfallhunde, sofern der Verein in Deutschland Pflegefamilien dafür anbieten kann.

Nicht die ausländischen Notfallhunde sind eine Gefahr für die Vermittlungschancen einheimischer Tierheimhunde. Viele der Jahr für Jahr eingeschleppten (oder auch in deutschen Massenzuchten produzierten) Welpen, die als Modehund gekauft und oft genug von unkundigen und schlecht informierten Haltern „verdorben“ wurden, landen über kurz oder lang als Problemhund in deutschen Tierheimen. Auch diese Hunde waren einmal „Ausländer“.

Zu der Diskussion um das Für und Wider zum Thema Auslandstierschutz hat Claudia Grothus einen, wie wir finden, sehr guten Beitrag geschrieben. Claudia Grothus hat eine Praxis für Tierhomöopathie und ist seit Jahren in verschiedenen Tierschutzprojekten aktiv.

Thema Auslandstierschutz

Tiere im Ausland

Wenn wir in anderen Staaten Tierschutzarbeit leisten, übernehmen wir eine Verantwortung, die sonst kaum jemand bereit ist zu tragen. In vielen Ländern haben Tiere überhaupt keine Lobby und Hunde und Katzen den Status, den hierzulande vielleicht wildlebende Ratten haben. Es ist dort kein Delikt, streunende Katzen und Hunde zu vergiften, einen Hund jahrelang an einer kurzen Kette am Straßenrand anzubinden oder ihn dort auch einfach irgendwann zu vergessen und verhungern zu lassen.

Das Töten von Welpen durch Erschlagen oder das Anzünden von mit Benzin übergossenen Hunden zur Belustigung wird nicht geahndet. Einen Streuner vor der Haustür zu vertreiben, indem man ihn mit Säure oder kochendem Wasser übergießt, schockt kaum jemanden und kommt häufig vor.

Was wir in diesen Ländern tun, würde ohne uns nicht getan, denn die Bevölkerung ist noch wenig sensibilisiert für das Elend der Tiere. Wir helfen nicht dem Land, seine Probleme zu lösen, denn Tierleid wird dort nicht als Problem angesehen; wir helfen einfach nur den Tieren.

Neue Medien

Der deutsche Tierschutz war lange Zeit eine Arbeit, die unzählige kleinere Initiativen unabhängig voneinander leisteten. Jeder Verein und viele Privatpersonen setzten sich in ihrer heimatlichen Region oder auch an bestimmten Orten im Ausland für in Not geratene Tiere ein. Unser technischer Fortschritt und insbesondere die Nutzung des Internets machen heute eine umfassende Kooperation vieler Tierschützer im In- und Ausland möglich. Einige Tierschutzorganisationen haben damit begonnen, die Möglichkeiten, die uns das Internet bietet, intensiv zu nutzen.

Es entsteht ein deutschlandweites Netzwerk von Tierschützern. Auf diesem Weg ist es jetzt der Öffentlichkeit möglich, sich jederzeit ein aktuelles Bild von der nationalen und internationalen Situation des Tierschutzes zu verschaffen. Auf dieser Grundlage können wir uns gegenseitig helfen, Ressourcen da einzusetzen, wo sie nötig sind und vor allem auch Not leidenden Tieren, - egal ob deutscher oder anderer Herkunft, – schneller zu einem würdigen Leben verhelfen.

Die Nutzung der neuen Medien und des technischen Fortschritts hat es endlich möglich gemacht, Teile des Auslandstierschutzes und des deutschen Tierschutzes zu einer Kooperationsgemeinschaft zusammenzuschließen, von der alle Beteiligten und ganz besonders die Tiere profitieren. Denn: Tierschutz beginnt immer vor der eigenen Haustür und endet nicht an Staatengrenzen.

Tieren helfen - wo auch immer

Die meisten von Deutschen organisierten Auslandstierschutzvereine haben ihre Hilfeleistung selbstverständlich nicht auf die Not leidenden Tiere im Ausland begrenzt. Es wäre ja auch unvorstellbar, dass ein Mensch, der sich gegen das Elend der Tiere beispielsweise auf einer Mittelmeerinsel einsetzt, ein in Not geratenes Tier in seiner eigenen Stadt abweist. Die so genannten „Auslandstierschützer“ sind meistens auch in mindestens einem Tierschutzverein in Deutschland aktiv. So haben sich zum Beispiel auch sehr viele Mitarbeiter der Auslands-Tierschutzvereine an den Aktionen beteiligt, die 2002 vom Hochwasser bedrohten Tiere in Notunterkünften, Tierheimen und privaten Pflegestellen unterzubringen.

Die Hauptaufgabe unserer Tierschutzarbeit im Ausland besteht darin, die dortigen Allgemeinbedingungen für die Tiere zu verbessern. Deshalb initiieren wir vor Ort Aufklärungskampagnen und vor allem umfassende Kastrationsaktionen. Die Einrichtung von Tierheimen dient dazu, solche Tiere aufzunehmen, die selbständig nicht mehr in ihrem Streunerleben zurechtkommen oder die aus qualvoller Haltung befreit wurden. Solche Tiere erhalten medizinische Versorgung und es wird dann versucht, ein neues Zuhause für sie zu finden. Die Vermittlung geschieht dann überwiegend in das Heimatland der jeweiligen Tierschützer. Relativ gesunde Streuner werden nur zum Kastrieren eingefangen und dann wieder in ihrer gewohnten Umgebung ausgesetzt.

Der Export von Katzen und Hunden nach Deutschland ist der geringste Teil der Arbeit im Auslandstierschutz. Es werden von seriösen Vereinen auch nur eindeutig vermittelbare und gesunde Tiere nach Deutschland gebracht.

Tiere helfen Tieren

Die deutschen Tierheime sind – besonders nach der Einführung der Hundeverordnung – voll von großen Hunden, für die kaum eine Chance auf eine Vermittlung in ein neues Zuhause besteht. Die Anfrage: “Haben Sie auch kleine Hunde?“ muss in der Regel verneint werden. Wir erhalten täglich Anfragen nach kleinen und mittelgroßen Hunden aus dem Ausland. Sehr oft wird von den Interessenten betont, dass sie schon lange nach einem Hund suchen, aber in ihren örtlichen Tierheimen nur große Hunde zu vermitteln sind.

Einige deutsche Tierheime sind regelmäßig bereit, freie Plätze für kleinere Hunde aus dem Ausland zur Verfügung zu stellen, und haben eine sehr erfreuliche Entwicklung beobachten können: Durch das „Angebot“ von kleineren Hunden kommen wieder viel mehr Besucher in die Tierheime, die dabei natürlich auch in die Boxen der größeren Hunde schauen. Dabei hat sich schon so mancher Kleinhundinteressent in einen Großen verliebt und ihn bei sich aufgenommen. Moderne Tierheimbetriebe haben schnell herausgefunden, dass ein starkes Interesse besteht, möglichst viele verschiedene Hunde im Tierheim anzusehen und dass die so genannten schwer vermittelbaren direkt von einer stärkeren Besucherfrequenz profitieren. Dieser Erfolg bestärkt uns darin, weiterhin eine wachsende Kooperation mit deutschen Tierschutzinitiativen anzustreben.

Welpen

Einer der grauenhaftesten Aspekte des Auslandstierschutzes ist das maßlose Welpenelend. Trotz der vielen großen Kastrationsaktionen werden jedes Jahr unzählige Welpen geboren, die nichts als Hunger, Elend und Qual erwartet. Sehr häufig werden Hunde absichtlich vermehrt, damit Kinder die Babys als lebendige Puppen zum Spielen benutzen können. Werden die Babys älter und bekommen spitze Zähnchen oder werden aufgrund von Mangelernährung und Stress krank, werden sie ausgesetzt oder auf schockierende Weise zu Tode gebracht. Noch lebensfähige Welpen werden auf Grund ihrer Schwäche häufig von Krankheiten befallen und es gehört zum bitteren Auslands-Tierheimalltag, Welpen zu euthanasieren, die womöglich eine Überlebenschance hätten, die ihnen aber hier vor Ort nicht geboten werden kann.

Die Vermittlung von Welpen aus dem Ausland ist eine sehr kritische Sache. Natürlich möchten die Interessenten gern einen ganz jungen Hund und es stehen jederzeit Hunderte von Tierbabys in Auslandstierheimen zur Auswahl. Für jeden dieser Welpen bedeutet eine Vermittlung nach Deutschland, dass er eine Überlebenschance erhält.

Leider hat die Erfahrung gezeigt, dass viele Welpen im Alter zwischen acht und zwölf Wochen die Reise ins rettende Deutschland nicht überstehen. Zwar kommen die Kleinen lebend und in scheinbar gutem Gesundheitszustand an, werden aber dann innerhalb weniger Tage in ihrem neuen Zuhause krank und sterben. Zu wenige Tierschützer erkennen, dass dies an der schwierigen Immunlage so junger Tiere liegt. Der enorme Stress der Reise und der neuen Umgebung schwächt die Abwehrkräfte der kleinen Wesen und trotz erfolgter Impfung infizieren sich die Welpenkurz nach der Ankunft im neuen Heim mit Krankheitskeimen, denen ihr geschwächte Organismus nicht widerstehen kann.

Die einzige Möglichkeit, einen Welpen aus dem Ausland sicher und gesund in ein deutsches Zuhause zu vermitteln ist, das Tier im Alter von ca. 12 Wochen zu impfen (die Einreisebestimmungen verpflichten zur Tollwut-Impfung) und dann noch mindestens vier bis sechs Wochen abzuwarten, ob die Impfung gut überstanden wird. Erst dann, im Alter von etwa vier Monaten ist eine Ausreise ratsam. Leider verfügen die allermeisten Auslandstierheime nicht über die nötigen Räumlichkeiten und Ausstattungen, junge Hunde so unterzubringen, dass sie gesund vier Monate alt werden können. Trotzdem ist es für die Tiere und die neuen Familien der Tiere eine unzumutbare Tragödie, ein Hundebaby ausreisen zu lassen, das dann nach kurzer Zeit erkrankt und stirbt. Weil Tierschützer, die es einfach nicht übers Herz bringen, diese kleinen Würmer zu euthanasieren oder sterben zu sehen, immer wieder ganz junge Welpen verschicken, werden dem Auslandstierschutz fortwährend Vorwürfe gemacht, Krankheiten einzuschleppen, oder gar schnelles Geld mit kranken Welpen zu machen.

Tausende von Hunden sitzen in deutschen Tierheimen!

Dieses Argument wird oft und gern herangezogen, wenn es um die Einreise von Hunden aus dem „Ausland“ (wir leben in den Zeiten der EU!) geht. Die scheinbare Logik, die dahinter steht, geht davon aus, dass Menschen, die einen Auslandshund aufnehmen, stattdessen einen „deutschen“ Tierheimhund nehmen würden, wenn kein Auslandshund im Angebot wäre.

Ist das so? Warum nehmen so viele Familien Hunde aus dem Süden auf? Weil sie billiger sind? Nein, in der Regel sind sie sogar etwas teurer, weil die Kosten, die dem vermittelnden Tierschutzverein entstehen, höher sind.

Was ist „besser“ an Auslandshunden? Ganz klar: Sie sind in der Regel sehr verträglich mit Artgenossen, sehr gut sozialisiert und neigen von daher nicht zu Aggressionen. Außerdem achten seriöse Auslands-Tierschutzvereine darauf, dass die nach Deutschland einreisenden Hunde gut vermittelbar sind. „Gut vermittelbar“ bedeutet: jung, eher klein, verträglich und gesund. Solche Hunde findet man nur selten unter den „deutschen“ Tierheimhunden, denn auch sie sind schnell vermittelt. Die „Tausende von Hunden“ in den deutschen Tierheimen, die schlecht oder gar nicht vermittelbar sind, sind meist große Hunde mit Verhaltensproblemen. Wer nimmt denn den acht Jahre alten Schäferhund, der sein Zuhause all zu vehement bewacht?! Wenn eine Familie mit Kindern kommt und einen Hund haben möchte, dann kann man nicht sagen: 'Nehmen Sie mal lieber hier unseren deutschen Problemhund, erst müssen die Deutschen weg'. Einen größeren Hund mit einem Verhaltensproblem aufzunehmen, kann sich kaum ein durchschnittlicher Hundehalter leisten. Der alte Hasso mit dem übersteigerten Territorialverhalten hat also dadurch, dass es Auslandshunde in der Vermittlung gibt, keine schlechteren Chancen, ein neues Zuhause zu finden. Sein Problem ist, dass er von seinen ehemaligen Haltern verdorben wurde. Mit Hasso müsste man lange therapeutisch arbeiten und er müsste irgendwo wohnen, wo z.B. keine Kinder zu Besuch kommen. Es gibt unzählige „Hassos“ in den deutschen Tierheimen.

Dann gibt es noch aberhunderte „Kampfhunde“ in den Tierheim-Boxen: nette, liebe, hübsche Hunde, die das Pech haben, wie ein Stafford auszusehen. Keine Chance! Seit der Kampfhundhysterie sind nur noch sehr wenige Personen bereit, einen solchen Hund zu halten, sich an jeder Ecke dafür rechtfertigen zu müssen und immerzu beweisen und beteuern zu müssen, dass dieser Hund nicht gefährlich ist.

Der Grund, warum Hasso, der Kampfhund und der bissige Dackel kein neues Zuhause finden, hat nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, dass es Hunde aus dem Ausland gibt. Um die Probleme der Tierheim-Dauerinsassen zu lösen, werden ganz andere Ansätze benötigt und an diesen Ansätzen arbeiten auch „Auslandstierschützer“, denn die sind fast alle gleichzeitig „Inlandstierschützer“.

Die fortschrittlichen deutschen Tierheime, die wirklich Tierschutz betreiben und Hunden in eine bessere Zukunft helfen wollen, arbeiten schon längst mit den seriösen Auslandstierschutzvereinen zusammen. Und zwar mit Erfolg - auch und besonders für ihre deutschen Dauergäste. Denn es ist ja auch so, dass die schnell vermittelten Südhunde über die Vermittlungsspenden das Futter und die Pflege der schwer Vermittelbaren sichern. Die Kosten, die einem Tierheim entstehen, werden nämlich bei weitem nicht durch das Geld der Steuerzahler abgedeckt. Gute Tierheime, die gern von Interessenten besucht werden und wo die Tiere gut untergebracht sind, es warm, trocken und relativ ruhig haben, - hinter diesen Tierheimen steht immer ein fähiger Verein, der über Spenden die Kosten deckt.

Dass die Tierheime mit deutschen Hunden voll sitzen liegt nicht daran, dass zu viele ausländische Hunde vermittelt werden, sondern daran, wie unverantwortliche Hundehalter ihre Hunde verderben und vernachlässigen. Das Problem der deutschen Tierheimhunde lässt sich nicht dadurch lösen, Importe zu stoppen.

Natürlich löst der Export von Hunden kein Problem im Ausland. Tierschützer, die nur für die Ausreise von Hunden aus dem Süden sorgen, ändern nichts an den Verhältnissen im Land. Es ist wesentlich effektiver, vor Ort etwas zu ändern und nur die absoluten Notfälle nach Deutschland zu bringen, die auch eine gute Vermittlungschance haben. Solche Tierschutzkonzepte mit gut organisierten Kastrationsaktionen und Aufklärungskampagnen werden schon von dem Förderverein Arche Noah Kreta e.V. und einer Reihe anderer Vereine erfolgreich umgesetzt.

Auslandstierschutz kann ein Gewinn für alle sein:

  • Für den Hund, der aus einer qualvollen Lebenssituation in ein liebevolles Zuhause kommt,
  • für die Familie, die einen vierbeinigen Freund sucht,
  • für „Hasso“, dem so weiterhin Futter und Unterkunft gesichert wird, bis er vielleicht doch jemanden findet, der ihn haben möchte und
  • für das Verständnis der Öffentlichkeit für seriöse Tierschutzarbeit, die nicht vor den deutschen Grenzen Halt macht.

Auch wir sind das "Ausland"

Als nach dem schrecklichen Vorfall des durch einen Hund getöteten Volkan die Kampfhundehysterie ausbrach und die LHVO (Landeshundeverordnung) in Kraft trat, gab es zum Glück viele Hilfsangebote von Tierschutzorganisationen aus anderen Ländern (USA, Großbritannien, Österreich usw.), die sich bereit erklärt haben, einige unserer so genannten „Listenhunde“ aufzunehmen und zu vermitteln, da sie in Deutschland nie wieder die Chance auf ein Zuhause gehabt hätten, ihnen oft sogar das Einschläfern drohte.

Es wurde eine regelrechte 'Luftbrücke' in die USA eingerichtet und viele als Kampfhunde abgestempelte liebe Tiere haben dadurch noch die Chance erhalten, ein Leben als ganz normaler Familienhund zu führen, was ihnen in Deutschland verwehrt geblieben wäre. Viele unserer Nothunde bekamen auf diese Art doch noch einen guten Platz, obwohl es sich dabei sicherlich auch in anderen Ländern nicht gerade um leicht vermittelbare Hunde handelte. Hier wurde Tierschutz auch nicht an Staatsgrenzen festgemacht.

Grenzen sind menschengemacht, Tiere kennen diese nicht und sind nicht dafür verantwortlich.

09. Juli 2004, Claudia Grothus